Kerbgeschichten – Kerbbräuche
Sprendlingen – Einen Eindruck vom Aussehen früherer Kerbborschen geben uns alte Photographien. Sie zeigen, dass sich die uniformierte Kleidung bis heute kaum geändert hat: weißes Hemd, dunkle Hosen und ein großrandiger Strohhut.
Auf dem hier abgebildeten Foto des Jahrganges 1872 sind die Strohhütte mit dicken, wahrscheinlich roten Schnüren verziert, die im Zickzack angeheftet sind. Die Schnüre enden in zwei dicken, über den Hutrand hängenden Quasten. Viele Kerbborschen tragen einen breiten Gürtel mit der Aufschrift „Gut Heil“.
In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts waren die bereits gemusterten Kerbborschen mit farbigen Schärpen geschmückt, deren Farbe und Aufschrift die Waffengattung angab, der sie zugeteilt worden waren.
Auf diesem und auch anderen Bildern sind noch Einzelheiten zu sehen, die längst aus der Tradition herausgefallen sind.
Einige Kerbborschen sind durch weiße Schürzen als „Mundschenke“ gekennzeichnet, die beim Festzug den Ebbelwoi ausschenken.
Am rechten Bildrand steht der „Kerbvadder“, der gewählte Anführer, mit einem bändergeschmückten „Kerbstrauß“. Das war ein Fichtenbäumchen, das am Ende des Umzuges über dem Eingang des Stammlokales angebracht wurde.
Links und Rechts vom Fass sitzen zwei als Harlekine verkleidete Kerbborschen, die je eine Pritsche („Plätsch“) in der Hand halten. Diese Harlekine liefen vor dem Zug her und machten ihn mit der Plätsch die Straße frei. Eine weitere Besonderheit auf dem Bild der 1872er: das „Kerbpärchen“. Es sind zwei Kerbborschen in einer Art Tiroler Tracht – der eine als Mädchen, der andere als junger Mann gekleidet. Möglicherweise führten sie den Kerbumzug als Vertreter des Pfarrers an. Auf dem Gruppenbild erkennt, dass die Kerbfahne drei Farbfelder hatte. Die Aufschrift in der Mitte ist jedoch nicht zu entziffern. Heute ist es üblich geworden, dass jeder Jahrgang sich eine neue Fahne herstellt, meist in den Landesfarben rot und weiß.
Quelle: Sprendlinger Stadtanzeiger 1989