Kerbgeschichten – Damals

Kerbgeschichten – Damals…das es ehrbar beim Tanze zugehe

 

Sprendlingen – Im August des Jahres 1699 bekam der Sprendlinger Pfarrer Jeremias Phillip Capeller unerwartet Post von der Hochgräflichen Regierung in Offenbach. Es wurde ihm Befehl erteilt, ein wachsames Auge auf die Sprendlinger Kerb zu richten, damit ja keine Üppigkeiten und der gleichen aufkäme. Hier der Brief an den Pfarrer:

Unseren freundlichen Gruß zuvor, ehrwürdiger und Hoch-Wohlgelehrter, Lieber Herr und Freund.
Wir haben erhalten und gelesen, an was Ihr der bevorstehenden Kirchweih halber erinnern wollt. Gleichwohl haben wir nicht darauf verzichtet, dem Amts-Schultheißen Brinck in dieser Sache schriftlichen Verhaltungs-Befehl zu erteilen. Deshalb haben wir denselben zu Eurer Kenntnis sub sigello vorlante hier mit beigegeben, den Ihr nach dem Lesen sofort dem erwähnten Amts-Schultheißen insinuieren (zukommen) lassen könnt.
Wir verbleiben Euch im übrigen freundl. zu dienen willig und geneigt

Offenbach, den 10. August 1699
Hochgräfl. Ysenburgische Regierungs- Räte.

Ein zweites Schreiben ähnlichen Inhalts erreichte Schultheiß Joh. Daniel Brinck. Auch hier der Wortlaut:

Ysenburgischer Kanzlei-Befehl an dem Amts-Schultheißen in puncto Kirchweih.
Nachdem man vernommen, dass nächsten Sonntag die Sprendlinger Kirchweih wieder anstehe, wird der Amts-Schultheiß Brinck hiermit erinnert, mit Fleiß darauf zu sehen, dass alle Üppigkeiten verhütet und bei Vermeidung Herrschaftl. Strafe und Ungnade niemand gestattet werde, am Sonntag – weder früh noch spät – Musikanten und noch viel weniger Tanz abzuhalten. An den folgenden Tagen soll zwar das Spielen und öffentliches Tanzen zur Zeit nicht verboten sein, jedoch aber Bescheidenheit gebraucht werden, damit der Tanz des abends zu rechter Zeit eingestellt und unter Heranziehung des Pfarrers von den Kirchenältesten oder -vortsehern nach dem Beispiel benachbarter Ortschaften jemand dazu verordnet werde, der mit zusehe und acht gebe, dass es ehrbar und ordentlich beim Tanzen hergehe, mithin alles üppige und leichtfertige Wesen verboten und eingestellt bleibe. Der erwähnte Amts-Schultheiß wird nach gehöriger Mahnung dem nachzukommen wissen.

Offenbach, den 10. August 1699.
Hochgräflich Ysenburgische Kanzlei

Wie man sehen kann, war das Auge des Gesetzes – offiziell – immer zugegen. Man muss sich allerdings fragen, woher damals die vor- und unehelichen Kinder kamen, derentwegen Kirchenbuße wegen „Hurerey“, „,“fleischlicher Unzucht“ oder „frühen Beyschlafs“ und das meist noch vor der versammelten Kirchengemeinde, getan werden musste. Der Herr Pfarrer und die anderen Amtspersonen waren anscheinend doch nicht überall dabei?

Heinz Hang